...aus dem Leben eines nixiskla...
Mittwoch, 6. Mai 2015
Endlich! Ich habe doch noch etwas gefunden in meinem Leben, das ich neben dem Bücher halten wirklich ganz gut kann. Also, exakter formuliert: mit mir machen lassen kann. Und zwar handelt es sich um das Zähne ziehen.

Pünktlich zu Ostern entwickelte sich an meinem linken Unterkiefer eine respektable Schwellung, die sich innerhalb von zwei Tagen derart prächtig machte, dass mir am Ostersonntagmorgen keine andere Wahl blieb, als den zähnärztlichen Notdienst aufzusuchen. Ich könnte jetzt noch ellenlang ausführen, dass ich ganz miese Angst vor diesen Arztbesuchen habe. Bei meinem Hausarzt könnte ich ja direkt einziehen, aber einem Zahnarzt, respektive einer Zahnärztin, bringe ich leider nur Abneigung entgegen. Eigentlich eher den damit in der Regel verbundenen Schmerzen, weniger der Person an und für sich. Aber egal: sobald der Stuhl nach hinten geht, bin ich klitschnass und nur noch begrenzt zurechnungsfähig.

Es war allerdings auch klar, dass es dieses Mal kein Entrinnen gab, sollte mir dieser eitergefüllte Ballon, ach wir wollen uns das lieber gar nicht ausmalen... Ich landete also in einer Praxis, die zwar Notdienst hatte, allerdings ansonsten eher wie ein Hipster-Lädchen in bester Lage aussah. Sie ist zumindest in bester City-Lage, ist in einem Ladengeschäft (mit Schaufenster!!) und es trugen auch alle die entsprechenden Brillen und Bärte. Allerdings auch weiße Kittel.

Eine dieser unglaublich jungen Kittelträgerinnen (mit schwarzer und viel zu großer modischer Brille) betastete mittelmäßig vorsichtig von hinten meine beiden Kieferhälften und gab nur nicht wirklich zu ihrem adretten Äußeren passende Grunzlaute von sich. Da würde sie sich nicht dran wagen, die Entzündung habe schon den Kiefer nach unten umschlossen und sie überweise mich jetzt an die Zahnklinik.

Also fuhr ich zur "Liegendaufnahme Ost" des örtlichen Universitätsklinikums, meldete mich zwischen Herzinfarkten und Armbrüchen an - was das eigene Leid übrigens dann doch sehr relativiert, wenn im angrenzenden Behandlungsraum gerade drei Ärzte samt Defibrillator an einem Patienten 'rumhantieren - und durfte dann in den 14. Stock in die Abteilung mit dem wohlklingenden Namen "Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie". Dort herrschte weniger Hipsterbetrieb und es roch sogar anständig nach Arzt oder eben nach Krankenhaus. Meine mit gebrochener Stimme vorgetragene Begrüßungsformel "Ich habe Angst vor Zahnarztbesuchen..." - "Guten Tag" erschien mir nicht angemessen, es war definitiv kein guter Tag - wurde mit einem freundlichen "Dann sind Sie bei mir genau richtig. Ich bin nämlich Kieferchirurg und kein Zahnarzt." erwidert.

Ich kürze mal ab: der Abzeß wurde eröffnet und behandelt. Die Schmerzen waren zu ertragen. Okay, das kann aber auch an den diversen Spritzen gelegen haben, die ich eingefordert hatte. Der Arzt war sehr nett, wirklich nett, kündigte mir beim Nachfolgetermin am nächsten Morgen allerdings an, dass diese Entzündung schon länger gearbeitet haben müsse, die Zähne an der Seite seien in Mitleidenschaft gezogen und, apropos in Mitleidenschaft gezogen, die müßten auch tatsächlich vermutlich gezogen werden. Große Freude meinerseits. Bei welchem Zahnarzt ich denn sonst in Behandlung sei. Tja, da waren sie wieder, diese riesigen Tropfen auf der Stirn, nun, ehrlich gesagt, bei gar keinem aktuell und zu dem letzten möchte ich eigentlich auch nie wieder...

Tja, und so bin ich jetzt im Fanclub des "Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde" als Teil unseres Universitätsklinikums. Die machen nämlich nicht nur neue Kiefer bei Bedarf, sondern auch ganz reguläre Zahnbehandlungen wie ein fieser Zahnarzt eben auch. Nur eben alles viel größer, viel mehr Ärzte, viele tolle 3D-Farbröntgengeräte, viel mehr Betäubung, bis man nur noch grenzdebil grinst.

Die meisten hassen so etwas vermutlich, für mich ist es definitiv genau das richtige. Immer einen Studenten mit am Stuhl, bisher immer pünktlich auf die Minute. Und so kamen dann dort im OP am letzten Donnerstag vier Zähne auf einen Schlag raus. Das war definitiv nicht schön, aber seltsamerweise fühlte ich mich unter dem grünen Tuch mit Häubchen und einem Arzt zur Linken und der behandelnden Ärztin zur Rechten, einem Studenten am Kopf- und einer Schwester am Fußende sehr, sehr gut aufgehoben.

Und das allerbester dabei: ich scheine Talent dafür zu haben. Mir wurde eine gepflegte Schwellung bis zum Sonntag prognostiziert und eine charmante Dosis an Schmerzmitteln offeriert und das eine trat nicht ein und das andere wurde nur am ersten Tag benötigt. Es war also wirklich okay. Zur Zeit baumeln mir noch reichlich Fäden im Mund, die werden am kommenden Montag gezogen. Und dann werden wir uns wohl über das charmante Thema Zahnersatz unterhalten. Das mir schon beim ersten Termin im Magen lag, mir macht so etwas ja immer Sorgen und so hatte ich der Ärztin gleich gesagt, dass ich mit der Zuzahlung momentan Schwierigkeiten habe, da ich arbeitslos sei. Sehr unangenehm, solche Aussagen, aber was nützt es. Sie sagte, darüber solle ich mir keinen Kopf machen, das würden wir schon geregelt bekommen im Rahmen einer Studentenbehandlung. Erleichterung. Unangenehmes Thema für mich, locker gelöst von der jungen Frau, die mir jetzt noch ein paar Mal im Mund rumhampelt, bis alles in der Reihe ist.

Es gibt momentan - oder auch seit Jahren - wenig positives oder aufbauendes, aber dass ich jetzt anscheinend mit einem leichten Anflug von Begeisterung diese miese Angst vor dem Zahnarztbesuch überwunden zu haben scheine, macht mich ein ganz klein wenig lächeln.

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Und dann war da ja heute morgen noch ein wichtiger Termin. Das Vorstellungsgespräch. Das war dann so wichtig, dass der eigentliche Ansprechpartner um zehn nicht da war. Und auch nicht um viertel nach zehn. Es erbarmte sich dann eine Dame, die sich als Geschäftsleiterin vorstellte, aber per se eigentlich nicht wirklich im Thema war. Sie wollte mich aber wohl nicht einfach so sang- und klanglos nach Hause schicken, fragte dann also pflichtschuldigst all das ab, was eh schon im Anschreiben und dem Lebenslauf steht, ihr aber ja nicht vorlag und sie vermutlich auch nicht interessierte. Tjoa, und nach einer knappen halben Stunde waren wir dann durch, Herr X. wird sich dann bestimmt noch bei Ihnen melden, vielen Dank und tschüß.

Wenn man nicht eh schon so gar gekocht wäre von der ganzen Situation, es wäre ein erneuter Tiefpunkt. Noch vor geraumer Zeit hätte mich so etwas wieder sehr nahe an meine Grenzen gebracht, im Moment sehe ich es entspannt. Ich habe eh keinen Einfluss auf solche Dinge. Und das Wort Respekt dämmert eh nur noch als vage Erinnerung... Nein, nein, alles okay, bin enttäuscht, aber mehr auch nicht.