...aus dem Leben eines nixiskla...
Endlich! Ich habe doch noch etwas gefunden in meinem Leben, das ich neben dem Bücher halten wirklich ganz gut kann. Also, exakter formuliert: mit mir machen lassen kann. Und zwar handelt es sich um das Zähne ziehen.

Pünktlich zu Ostern entwickelte sich an meinem linken Unterkiefer eine respektable Schwellung, die sich innerhalb von zwei Tagen derart prächtig machte, dass mir am Ostersonntagmorgen keine andere Wahl blieb, als den zähnärztlichen Notdienst aufzusuchen. Ich könnte jetzt noch ellenlang ausführen, dass ich ganz miese Angst vor diesen Arztbesuchen habe. Bei meinem Hausarzt könnte ich ja direkt einziehen, aber einem Zahnarzt, respektive einer Zahnärztin, bringe ich leider nur Abneigung entgegen. Eigentlich eher den damit in der Regel verbundenen Schmerzen, weniger der Person an und für sich. Aber egal: sobald der Stuhl nach hinten geht, bin ich klitschnass und nur noch begrenzt zurechnungsfähig.

Es war allerdings auch klar, dass es dieses Mal kein Entrinnen gab, sollte mir dieser eitergefüllte Ballon, ach wir wollen uns das lieber gar nicht ausmalen... Ich landete also in einer Praxis, die zwar Notdienst hatte, allerdings ansonsten eher wie ein Hipster-Lädchen in bester Lage aussah. Sie ist zumindest in bester City-Lage, ist in einem Ladengeschäft (mit Schaufenster!!) und es trugen auch alle die entsprechenden Brillen und Bärte. Allerdings auch weiße Kittel.

Eine dieser unglaublich jungen Kittelträgerinnen (mit schwarzer und viel zu großer modischer Brille) betastete mittelmäßig vorsichtig von hinten meine beiden Kieferhälften und gab nur nicht wirklich zu ihrem adretten Äußeren passende Grunzlaute von sich. Da würde sie sich nicht dran wagen, die Entzündung habe schon den Kiefer nach unten umschlossen und sie überweise mich jetzt an die Zahnklinik.

Also fuhr ich zur "Liegendaufnahme Ost" des örtlichen Universitätsklinikums, meldete mich zwischen Herzinfarkten und Armbrüchen an - was das eigene Leid übrigens dann doch sehr relativiert, wenn im angrenzenden Behandlungsraum gerade drei Ärzte samt Defibrillator an einem Patienten 'rumhantieren - und durfte dann in den 14. Stock in die Abteilung mit dem wohlklingenden Namen "Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie". Dort herrschte weniger Hipsterbetrieb und es roch sogar anständig nach Arzt oder eben nach Krankenhaus. Meine mit gebrochener Stimme vorgetragene Begrüßungsformel "Ich habe Angst vor Zahnarztbesuchen..." - "Guten Tag" erschien mir nicht angemessen, es war definitiv kein guter Tag - wurde mit einem freundlichen "Dann sind Sie bei mir genau richtig. Ich bin nämlich Kieferchirurg und kein Zahnarzt." erwidert.

Ich kürze mal ab: der Abzeß wurde eröffnet und behandelt. Die Schmerzen waren zu ertragen. Okay, das kann aber auch an den diversen Spritzen gelegen haben, die ich eingefordert hatte. Der Arzt war sehr nett, wirklich nett, kündigte mir beim Nachfolgetermin am nächsten Morgen allerdings an, dass diese Entzündung schon länger gearbeitet haben müsse, die Zähne an der Seite seien in Mitleidenschaft gezogen und, apropos in Mitleidenschaft gezogen, die müßten auch tatsächlich vermutlich gezogen werden. Große Freude meinerseits. Bei welchem Zahnarzt ich denn sonst in Behandlung sei. Tja, da waren sie wieder, diese riesigen Tropfen auf der Stirn, nun, ehrlich gesagt, bei gar keinem aktuell und zu dem letzten möchte ich eigentlich auch nie wieder...

Tja, und so bin ich jetzt im Fanclub des "Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde" als Teil unseres Universitätsklinikums. Die machen nämlich nicht nur neue Kiefer bei Bedarf, sondern auch ganz reguläre Zahnbehandlungen wie ein fieser Zahnarzt eben auch. Nur eben alles viel größer, viel mehr Ärzte, viele tolle 3D-Farbröntgengeräte, viel mehr Betäubung, bis man nur noch grenzdebil grinst.

Die meisten hassen so etwas vermutlich, für mich ist es definitiv genau das richtige. Immer einen Studenten mit am Stuhl, bisher immer pünktlich auf die Minute. Und so kamen dann dort im OP am letzten Donnerstag vier Zähne auf einen Schlag raus. Das war definitiv nicht schön, aber seltsamerweise fühlte ich mich unter dem grünen Tuch mit Häubchen und einem Arzt zur Linken und der behandelnden Ärztin zur Rechten, einem Studenten am Kopf- und einer Schwester am Fußende sehr, sehr gut aufgehoben.

Und das allerbester dabei: ich scheine Talent dafür zu haben. Mir wurde eine gepflegte Schwellung bis zum Sonntag prognostiziert und eine charmante Dosis an Schmerzmitteln offeriert und das eine trat nicht ein und das andere wurde nur am ersten Tag benötigt. Es war also wirklich okay. Zur Zeit baumeln mir noch reichlich Fäden im Mund, die werden am kommenden Montag gezogen. Und dann werden wir uns wohl über das charmante Thema Zahnersatz unterhalten. Das mir schon beim ersten Termin im Magen lag, mir macht so etwas ja immer Sorgen und so hatte ich der Ärztin gleich gesagt, dass ich mit der Zuzahlung momentan Schwierigkeiten habe, da ich arbeitslos sei. Sehr unangenehm, solche Aussagen, aber was nützt es. Sie sagte, darüber solle ich mir keinen Kopf machen, das würden wir schon geregelt bekommen im Rahmen einer Studentenbehandlung. Erleichterung. Unangenehmes Thema für mich, locker gelöst von der jungen Frau, die mir jetzt noch ein paar Mal im Mund rumhampelt, bis alles in der Reihe ist.

Es gibt momentan - oder auch seit Jahren - wenig positives oder aufbauendes, aber dass ich jetzt anscheinend mit einem leichten Anflug von Begeisterung diese miese Angst vor dem Zahnarztbesuch überwunden zu haben scheine, macht mich ein ganz klein wenig lächeln.

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Und dann war da ja heute morgen noch ein wichtiger Termin. Das Vorstellungsgespräch. Das war dann so wichtig, dass der eigentliche Ansprechpartner um zehn nicht da war. Und auch nicht um viertel nach zehn. Es erbarmte sich dann eine Dame, die sich als Geschäftsleiterin vorstellte, aber per se eigentlich nicht wirklich im Thema war. Sie wollte mich aber wohl nicht einfach so sang- und klanglos nach Hause schicken, fragte dann also pflichtschuldigst all das ab, was eh schon im Anschreiben und dem Lebenslauf steht, ihr aber ja nicht vorlag und sie vermutlich auch nicht interessierte. Tjoa, und nach einer knappen halben Stunde waren wir dann durch, Herr X. wird sich dann bestimmt noch bei Ihnen melden, vielen Dank und tschüß.

Wenn man nicht eh schon so gar gekocht wäre von der ganzen Situation, es wäre ein erneuter Tiefpunkt. Noch vor geraumer Zeit hätte mich so etwas wieder sehr nahe an meine Grenzen gebracht, im Moment sehe ich es entspannt. Ich habe eh keinen Einfluss auf solche Dinge. Und das Wort Respekt dämmert eh nur noch als vage Erinnerung... Nein, nein, alles okay, bin enttäuscht, aber mehr auch nicht.




Erst einmal Glückwunsch zur überwundenen Zahnarztangst. Ich gehe zwar grundsätzlich zweimal im Jahr zur Kontrolle, hatte aber seit meiner Kindheit aufgrund diverser Horrorerlebnisse auch immer große Angst davor. Seit vielen Jahren habe ich aber einen hervorragenden Zahnarzt, zu dem ich sogar ganz gerne gehe. Und die Uni-Zahnkliniken sind klasse, ich bekam dort als Kassenpatientin eine relativ seltene Behandlung, für die andere Leute weit fahren und einen Haufen Geld zahlen müssen. Da habe ich auch gerne mal einen Fragebogen für eine Studie ausgefüllt oder charmante französische Austauschstudis bei der Kontrolluntersuchung zuschauen lassen.

Hat die Geschäftsführerin eigentlich gesagt, wo Ihr Ansprechpartner steckt? Hatte er es, nachdem er den Termin eigens auf heute verlegt hatte, schlichtweg verschusselt oder blieb er wegen des Bahnstreiks irgendwo auf der Strecke? Was machen Sie jetzt? Warten Sie einfach ab oder schicken Sie ihm nochmals eine nette Mail, wann Sie beide den Termin nachholen? (Ein bisschen schlechtes Gewissen dürfte er ja schon gemacht bekommen.)

Der Ansprechpartner ist dann schon der Geschäftsführer und Inhaber. Sie selber stellte sich als Geschäftsleiterin vor und so firmiert sie auch im Internet. Also wohl die Person, die ran muss, wenn der Chef nicht da ist. Mir wurde keine weitere Begründung geliefert, er sei verhindert, aber die guckten alle - alle beide - so, als wenn sie selber nicht wüssten, wo er steckt. Also, schlechtes Gewissen wird ihm vermutlich keiner machen.

Ach, Frau arboretum, Sie sind immer gleich so energiegeladen übergriffig. ;-) Haben immer viele Fragen und ich habe doch so wenig Antworten.^^ Im Moment ärgere ich mich erst mal noch ein bisschen. Und dann werde ich entscheiden, was ich mache. Per se tendiere ich dazu, dass es ihm wohl nicht so wichtig war, sonst wäre jemand informiert gewesen. Und im Hinterherrennen bin ich schon immer schlecht gewesen und werde mit zunehmendem Alter auch nicht besser. Und bitte erklären Sie mir jetzt nicht, dass das in meiner Situation aber nachlässig sei oder so... ;-)

Ach, jede harmlose Frage erscheint Ihnen schon als übergriffig. Mich hat es einfach interessiert, weil ich mich fragte, was man dann mit solchem Ärger macht. Ich kam aber auch nicht auf die Idee, dass der Geschäftsführer oder Sie so eine Mail als Hinterherrennen auffassen könnte. Das ist natürlich auch ein Aspekt, den es zu bedenken gilt.

Nachdem mir heute jemand - er ist übrigens auch Geschäftsführer - wie auch schon voriges Jahr einen Monat zu früh zum Geburtstag gratuliert hat (es stand falsch in seinem Kalender), halte ich es aber für durchaus möglich, dass "Ihr" Geschäftsführer das auch nur verpeilt hat, weil er den verlegten Termin halt gar nicht oder falsch in seinen Kalender eingetragen hat (oder hat eintragen lassen). Das muss überhaupt nichts mit "ist ihm unwichtig" zu tun haben, sondern kann einfach ein dummer Fehler gewesen sein, so etwas ist menschlich.

Sehen Sie, möglich ist natürlich vieles, aber nicht zwangsläufig wahrscheinlich. Er hat persönlich angerufen, klar und deutlich einen neuen Termin genannt und war dann trotzdem nicht da. Da kann natürlich vieles möglich sein, wahrscheinlich erscheint mir das aber nicht. Er hat es sich anders überlegt oder einen wichtigeren Termin ganz kurzfristig gehabt. Dann hätte ich aber angerufen, der Mann arbeitet ja nicht im Weißen Haus oder in der Notfallambulanz, so dass keine Meldung mehr möglich ist. Vielleicht hat er sich auch überlegt, dass er doch keinen Buchhalter einstellt, seine Geschäftsleiterin schien zumindest nicht viel von der Thematik zu wissen. Keine Ahnung, woher soll ich es wissen.

Für mich heißt so eine Aktion jedenfalls: ich habe kein Interesse an Dir. Also werde ich nicht hinterherlaufen. Vielleicht überlege ich es mir aber auch noch anders, weil: alles ist möglich...

Sie können sowas aber auch beschreiben, daß es einen aus dem Sessel hebt. Gute Besserung weiterhin!

Vielen Dank, ich finde mich auch total tapfer. ;-)

Tja, mit solider Betäubung erträgt man alles deutlich besser ...

Wenn es Sie aufheitern: ich habe meine Angst vor den Zahnarzt verloren als mir spontan ein Zahn gezogen wurde. Ich gehe zu etwas, was als “ das sieht eigenartig aus, ich will mal reingucken“ vereinbart war, sich zu “ was ist denn das?!“ weiterentwickelt und damit endete, dass ich mit der Zahnärztin per du war. Dauerte ja auch nur knappe zwei Stunden. Der Zahn war mit dem Knochen verwachsen. Seitdem kann mich wenig erschrecken. Nur die Orthopädophobie harrt noch auf Schlüsselerlebnisse.

Ich habe hier natürlich etwas, äh, sagen wir zusammengefaßt... Bei zwei der Zähne war das Ziehen definitiv nicht sehr schön, da wurde dann letztendlich drei Mal nachgespritzt, bis ich mich beim Ziehversuch nicht mehr in den Oberschenkel des Arztes zur Linken krallte.^^ Ich hörte nur immer "Der ist aber noch ganz schön entzündet.", das ist - wie ich jetzt weiß - gleichbedeutend mit "Da wirkt die Betäubung nicht wirklich." So war es dann auch... Man tröstete mich aber damit, dass man noch nicht am Ende mit der Betäubung gewesen sei, so nach dem Motto, wir haben hier noch jeden Nerv lahm gelegt. Eigentlich gab es also gar keinen Grund, warum ich meine Angst halbwegs verloren zu haben scheine, mehr Schmerzen hat mir definitiv noch kein Zahnarzt zugefügt. :-D

Die beiden Ärzte könnten vermutlich meine Kinder sein, so jung wie die sind, da finde das "du" immer etwas anbiedernd. Aber mal sehen, wie oft ich noch hin muss, vielleicht geht da auch noch 'was...^^

Irgendwann zwischen den Nachnarkotisieren und der Feststellung, dass wir keine andere Wahl haben als weitermachen fing die Zahnfee an, mich zu duzen und als sie dann sagte, sie sei nicht kräftig genug, wir müssten jetzt irgendwas am Winkel ändern ... es war eine dieser Situationen.

Tigergatte kann zwar Alter und Zahngesundheit bei Skeletten feststellen, aber an dem, was ich da mit anbrachte, scheiterte er. Das Vorzeigen des Probenbeutels (wortlos weil aua) löste nicht die Assoziation Zahn überraschend gezogenen“ aus, sondern nur fragende Blicke und wieso bin ich so spät dran?

Die nächsten Tage verbrachte ich in Novalgin- Rausch.

Das Problem mit der Kraft war keines bei mir. Arzt und Student drückten mir den Kiefer nach unten und die Ärztin zog mit irgendeinem Gerät nach oben, sicherlich auch einer der Vorteile des Klinikbetriebes, es fehlt nicht wirklich an Personal.

Sie haben den Zahn mitgenommen?? Wie gut, dass mir das niemand angeboten hat, dem wäre meine Verachtung sicher gewesen... :-D Erinnert mich gerade an die Gallensteine meines Vaters, die in einer Untertasse im Schrank meiner...lassen wir das lieber. Ich bin da eher Anhänger der Theorie, dass alles, was "raus" oder "ab" muss, auch definitiv entsorgt wird.^^

Mir wurde Ibuprofen 600 verschrieben, aber habe dann die ärztlich angeordneten Tabletten - eine direkt zu Hause mittags und eine vor dem ins Bett gehen - lediglich um eine dritte zwei Tage später abends aufstocken müssen. So memmig ich vor der Behandlung bin, so schmerzfrei bin ich anscheinend danach.^^

Der Versuchung, den Tigergatten Scheitern zu sehen, konnte ich nicht widerstehen. Außerdem kommt hier ja dauernd die Zahnfee... und nein, ich habe keine Schokolade bekommen. Muss wohl eine Altersgrenze geben oder so was.