...aus dem Leben eines nixiskla...
Mittwoch, 1. Mai 2013
Sie frisst mich langsam auf. Die Angst vor dem morgen. Verzehrt mich von innen. Verbrennt mich, so dass ich immer schreien möchte. Und weinen, immer nur wieder weinen. Kein Film, kein Lied, ohne das ich durch Tränen sehe. Nicht wegen des Films, des Liedes, natürlich. Nur bin ich so dünnhäutig, dass ich ständig heulen muss. Und doch bringt das keine Erleichterung. Dann wieder die Zweifel. Über den Wert der Dinge. Was mir das alles bedeutet. Zum Glück noch genug. Dann kommt erneut diese Angst. Es nicht mehr zu schaffen.

Abschlussgespräch zum Ende der Fortbildung. "Herr Wajakla, ich verstehe das nicht. Bei vielen hier verstehe ich sehr gut, warum sie keine Arbeit haben. Ich bin schon so lange hier, bei den meisten reichen mir ein paar Tage. Dann weiß ich es eben. Aber Sie sind doch ganz anders. Sie können Ihren Job, die Dozenten waren sehr angetan. Meistens konnten doch Sie den Kollegen noch eher helfen, als sie Ihnen.". Er schaut mich wirklich irritiert an. "Warum haben Sie keine Arbeit? Ich verstehe es nicht." Es war mir unangenehm. Dieses Abschlussgespräch wurde mir von den anderen Teilnehmern als reine Dokumentation für das Arbeitsamt beschrieben. Blabla halt. Und jetzt solche Fragen. "Ich würde mich auch nicht anstellen. Früher bei der Firma, in der ich die letzten Jahre war, habe ich Kollegen zur Einstellung ausgesucht. Und wenn ich meinen Lebenslauf gelesen hätte, hätte ich mich nicht eingestellt.

1998 bei der Firma begonnen. 1999 verkaufte der Chef sie, zwei Abteilungsleiter wollten sich selbstständig machen und fragten mich, ob ich mitkäme. Ich kam. Großartige Jahre. Bis es 2004 mit der Firma bergab ging.
August 2005 war ich dann fertig. Mit der Welt. Den Nerven. Ein völlig demoralisiertes Bündel. Ich kündigte, die Alternativen, die mir mein Hausarzt aufzeigte, waren noch weniger verlockend. Es folgte der völlige Absturz. ALG I, dann alle Versicherungen aufgelöst, da war mir schon klar, ich wollte nicht mehr.

Mußte dann aber doch, ich erwies mich gesundheitlich als äußerst medikamentenresistent. Ich hatte noch gut drei Euro in der Tasche, ein Konto am Rande des Dispos und die Kreditkartenabbuchung würde die Seifenblase zum Platzen bringen. Und es mußte nun doch weitergehen.

Es ging weiter. Kontaktaufnahme mit den Eltern, Freunde und Bekannte liehen Geld, Hartz IV. Das war im Sommer 2007. Meine Wohnung sei zu groß, ich hatte sechs Monate, länger würde die Miete nicht komplett gezahlt. Und dann kam die alte Firma. Ob ich nicht anfangen wollte, sie bräuchten jemanden. Und entgegen allen Ratschlägen habe ich es gemacht. Trotz der Angst, dass sich dort nichts geändert haben könnte.

Es hatte sich nichts geändert. Anfang 2011 war ich im Grunde schon auf der letzten Rille. Und erhielt die Nachricht, dass sich jemand umgebracht hatte, der mir einmal alles bedeutet hatte. Bei Gesprächen im Frühjahr benutzte mein Hausarzt zum ersten Mal ganz zaghaft das Wort Depressionen in einem Nebensatz. Ende September habe ich gekündigt. Man wolle jetzt eine Entscheidung von Seiten der Firma.

Wieder Arbeitsamt. Ziemlich viel Druck. Man erwarte, dass ich auch Zeitarbeit annehmen würde.Keinerlei Einwände geduldet. November ein Anruf, ob ich nicht anfangen wolle, es klappe alles nicht mit den diversen Nachfolgern und Nachnachfolgern. Ich hatte so Angst meine Wohnung zu verlieren oder bei einem Sklavenhalter so wenig zu verdienen, dass ich sie auch nicht mehr auf Dauer hätte halten können, dass ich erneut zusagte. Alle waren entsetzt, was heißt alle, es sind eh nur noch meine Eltern und ein Freund geblieben, der Rest geht im Laufe solcher Jahre verlustig. Ich wollte es mir beweisen. Ich wollte es mir einfach selber beweisen.

Zum 07.06.2012 bin ich während der Krankschreibung wegen Depressionen vom Arbeitgeber fristgerecht gekündigt worden. Auf Anraten des Arztes habe ich auf rechtliche Mittel verzichtet, das Arbeitsamt hat keine Sperrzeit verhängt."

"Sie waren also im Grunde seit 1998 bei ein und der selben Firma. Im Lebenslauf ergibt das arbeitsrechtlich aber zig Positionen." "Ich weiß. Und dazu noch Fehlzeiten en masse. Ich kann es nicht mehr ändern, ich habe es selber verbockt. Knapp 70 Bewerbungen. Kein einziges Vorstellungsgespräch." Er war großartig, sprach mir viel Mut und Geduld zu, irgendwann wird sich jemand finden. Er gibt mir die Hand. Ich kann nicht mehr viel sagen, bin ziemlich erschöpft. Und doch war es seit Jahren das erste Gespräch dieser Art, vielleicht war es deshalb so wichtig.

Zu Dienstag nächster Woche läuft das Arbeitslosengeld aus. Es geht zum Amt.


Und es gibt doch kein Halten, kein löschendes Meer. Keine Hand, die den Fall mir verwehrt.