...aus dem Leben eines nixiskla...
Sie frisst mich langsam auf. Die Angst vor dem morgen. Verzehrt mich von innen. Verbrennt mich, so dass ich immer schreien möchte. Und weinen, immer nur wieder weinen. Kein Film, kein Lied, ohne das ich durch Tränen sehe. Nicht wegen des Films, des Liedes, natürlich. Nur bin ich so dünnhäutig, dass ich ständig heulen muss. Und doch bringt das keine Erleichterung. Dann wieder die Zweifel. Über den Wert der Dinge. Was mir das alles bedeutet. Zum Glück noch genug. Dann kommt erneut diese Angst. Es nicht mehr zu schaffen.

Abschlussgespräch zum Ende der Fortbildung. "Herr Wajakla, ich verstehe das nicht. Bei vielen hier verstehe ich sehr gut, warum sie keine Arbeit haben. Ich bin schon so lange hier, bei den meisten reichen mir ein paar Tage. Dann weiß ich es eben. Aber Sie sind doch ganz anders. Sie können Ihren Job, die Dozenten waren sehr angetan. Meistens konnten doch Sie den Kollegen noch eher helfen, als sie Ihnen.". Er schaut mich wirklich irritiert an. "Warum haben Sie keine Arbeit? Ich verstehe es nicht." Es war mir unangenehm. Dieses Abschlussgespräch wurde mir von den anderen Teilnehmern als reine Dokumentation für das Arbeitsamt beschrieben. Blabla halt. Und jetzt solche Fragen. "Ich würde mich auch nicht anstellen. Früher bei der Firma, in der ich die letzten Jahre war, habe ich Kollegen zur Einstellung ausgesucht. Und wenn ich meinen Lebenslauf gelesen hätte, hätte ich mich nicht eingestellt.

1998 bei der Firma begonnen. 1999 verkaufte der Chef sie, zwei Abteilungsleiter wollten sich selbstständig machen und fragten mich, ob ich mitkäme. Ich kam. Großartige Jahre. Bis es 2004 mit der Firma bergab ging.
August 2005 war ich dann fertig. Mit der Welt. Den Nerven. Ein völlig demoralisiertes Bündel. Ich kündigte, die Alternativen, die mir mein Hausarzt aufzeigte, waren noch weniger verlockend. Es folgte der völlige Absturz. ALG I, dann alle Versicherungen aufgelöst, da war mir schon klar, ich wollte nicht mehr.

Mußte dann aber doch, ich erwies mich gesundheitlich als äußerst medikamentenresistent. Ich hatte noch gut drei Euro in der Tasche, ein Konto am Rande des Dispos und die Kreditkartenabbuchung würde die Seifenblase zum Platzen bringen. Und es mußte nun doch weitergehen.

Es ging weiter. Kontaktaufnahme mit den Eltern, Freunde und Bekannte liehen Geld, Hartz IV. Das war im Sommer 2007. Meine Wohnung sei zu groß, ich hatte sechs Monate, länger würde die Miete nicht komplett gezahlt. Und dann kam die alte Firma. Ob ich nicht anfangen wollte, sie bräuchten jemanden. Und entgegen allen Ratschlägen habe ich es gemacht. Trotz der Angst, dass sich dort nichts geändert haben könnte.

Es hatte sich nichts geändert. Anfang 2011 war ich im Grunde schon auf der letzten Rille. Und erhielt die Nachricht, dass sich jemand umgebracht hatte, der mir einmal alles bedeutet hatte. Bei Gesprächen im Frühjahr benutzte mein Hausarzt zum ersten Mal ganz zaghaft das Wort Depressionen in einem Nebensatz. Ende September habe ich gekündigt. Man wolle jetzt eine Entscheidung von Seiten der Firma.

Wieder Arbeitsamt. Ziemlich viel Druck. Man erwarte, dass ich auch Zeitarbeit annehmen würde.Keinerlei Einwände geduldet. November ein Anruf, ob ich nicht anfangen wolle, es klappe alles nicht mit den diversen Nachfolgern und Nachnachfolgern. Ich hatte so Angst meine Wohnung zu verlieren oder bei einem Sklavenhalter so wenig zu verdienen, dass ich sie auch nicht mehr auf Dauer hätte halten können, dass ich erneut zusagte. Alle waren entsetzt, was heißt alle, es sind eh nur noch meine Eltern und ein Freund geblieben, der Rest geht im Laufe solcher Jahre verlustig. Ich wollte es mir beweisen. Ich wollte es mir einfach selber beweisen.

Zum 07.06.2012 bin ich während der Krankschreibung wegen Depressionen vom Arbeitgeber fristgerecht gekündigt worden. Auf Anraten des Arztes habe ich auf rechtliche Mittel verzichtet, das Arbeitsamt hat keine Sperrzeit verhängt."

"Sie waren also im Grunde seit 1998 bei ein und der selben Firma. Im Lebenslauf ergibt das arbeitsrechtlich aber zig Positionen." "Ich weiß. Und dazu noch Fehlzeiten en masse. Ich kann es nicht mehr ändern, ich habe es selber verbockt. Knapp 70 Bewerbungen. Kein einziges Vorstellungsgespräch." Er war großartig, sprach mir viel Mut und Geduld zu, irgendwann wird sich jemand finden. Er gibt mir die Hand. Ich kann nicht mehr viel sagen, bin ziemlich erschöpft. Und doch war es seit Jahren das erste Gespräch dieser Art, vielleicht war es deshalb so wichtig.

Zu Dienstag nächster Woche läuft das Arbeitslosengeld aus. Es geht zum Amt.


Und es gibt doch kein Halten, kein löschendes Meer. Keine Hand, die den Fall mir verwehrt.




oh je... das klingt definitiv nicht gut.
Meine besten Wünsche, daß sich was findet, der Sachbearbeiter nicht zu garstig ist.
Ich werde für Sie beten.

Vielen Dank. Hoffe, dass das auch für Agnostiker hilft. ;-)

Falls sich seit 2007 nichts geändert haben sollte, ist das Verhalten beim Amt hier eher sehr, sehr viel freundlicher und kommunikativer als bei der Agentur für Arbeit. Was vermutlich daran liegt, dass ich in einer kleinen Gemeinde lebe, Arbeitslose hier eine sehr, sehr kleine Gruppe sind und einfach nicht so eine Massenabfertigung herrscht. Tja, macht es aber auch nicht viel schöner, wenn die Leute nett sind, mußte ich feststellen. Kauft auch kein Brot, die Freundlichkeit...

gestern früh habe ich das hier gelesen.
tief eingeatmet und wollte sofort schreiben.
aber, ich hatte termine. (amtstermine)
der wert der dinge; der wert der arbeit, der wert des (einzelnen) menschen.
die position im arbeitsleben, die wichtigkeit der vertrauten wohnung, das gefühl bittsteller zu sein.
das bemühen um seinen platz in all dem, was ein leben ausmacht.
die härte zu sich selber, die einem das herz bricht.
jedes mal.
ich bin, zwar unter völlig anderen umständen und beruflichen voraussetzungen, dennoch exakt in der gleichen situation.
deshalb traf mich der text tief und unvermittelt.
es gibt keinen rat, keine einfache lösung, kein kalenderspruch. nichts kann auf die schnelle verändert werden.
man kann nur brav und folgsam dem amtlichen wegen folgen.
vielleicht der einen oder anderen verrückten eingebung/idee nachgeben.
und eben nicht hart zu sich selber sein.
wie gesagt, das bricht einem das herz.
die kraft, es brechen zu lassen, braucht man für das überstehen.
ich grüße sehr sehr herzlich.
annemarie

Darf ich Sie umarmen? Ach, ich mach' mal ganz vorsichtig. ;-)

Nun sind Buchhalter ja eher nicht so die Typen, die verrückten Eingebungen nachgeben, so sie sie denn überhaupt haben.^^ Das mit der Härte zu sich selbst ist manchmal wirklich ein Problem, man möchte sich am liebsten bei Wasser und Brot in die Kälte setzen für drei Tage. Nur so als Selbstgeisselung. Dieses Sich-selber-Vorwürfe-machen ist das mieseste Gefühl überhaupt. Und nutzlos zudem.

Danke.

Ohmann, das tut mir leid :-( Ist die Depression denn jetzt im Griff? Geht das so schnell überhaupt?

Ich drücke die Daumen, dass Sie bald etwas finden, das Ihnen gut tut.

Vielen Dank.

Tja, wenn ich das man wüßte... "Therapierwürdig" bin ich jedenfalls nicht, wie zwei Psychotherapeuten, die ich beide auf Anraten meines Hausarztes aufsuchte, übereinstimmend meinten. Ich solle "Stimmungsaufheller" nehmen. Mein Arzt meinte, das sei allerdings die ultima ratio. Ich habe es zuerst immer kategorisch abgelehnt - wer weiß, welche Charakterzüge mir da noch "aufgehellt" werden - und war dann zwischendurch eher zweifelnd. Also keine Tabletten. Der Doc ist eh einmal in der Woche bei meinem Vater, da sehe ich ihn ab und an und er hat so also eigentlich immer ein halbes Auge auf mich. Man muss sich dann beiderseits eben etwas intensiver auf die Standardfrage "Wie geht es Ihnen?" einlassen. Also, lockere hausärztliche Kontrolle würde ich es mal umschreiben.

Ja, hm, es ist leider nicht immer so schön einfach wie bei Fieber, da weiß man: soundsoviel, da nehm ich dasunddas. Aber es guckt immer mal einer drauf, das ist gut.

Nicht, dass es irgendwas nützen würde, aber ich finde Ihre Entscheidungen (die jobbezogenen) nachvollziehbar und denke auch, man kann sie gut erklären. Das Problem ist natürlich, die Eintrittskarte dazu zu bekommen, das weiß ich auch. Unmöglich ist das nicht, aber es gehört (neben viel Mut und Geduld) sicher auch eine Portion Glück dazu. Vielleicht haben Sie demnächst einfach mal ein bisschen Glück. Das wäre schön.

Beim Glück bin ich mittlerweile auch angekommen.^^

Sehe das in "normalen" Situationen genau wie Sie: gebt mir endlich die Chance, ich erkläre dann der Welt schon überzeugend, wie gut ich bin. *staub wegwedel*

Leider will es keiner wissen.^^

Übrigens hat mich der Mann von der Fortbildung mehr oder minder aufgefordert, den Lebenlauf schlicht und ergreifend unkorrekt zu verfassen. Die Wahrheit würde keinem helfen, sondern verbaut jemandem die Chance und enthält dem Arbeitsmarkt eine Arbeitskraft vor. So sprach er...
Beim nächsten/letzten Termin mit der Betreuerin vom AA sprach die doch tatsächlich auch von "Glätten des hügeligen Lebenslaufes".

Paßt mir alles nicht, alles nicht mein Ding, so mit der Unwahrheit und dem Schummeln. War allerdings letztens schon fast soweit, so etwas ähnliches zu verfassen wie Externer Link hier zu sehen. Und dann erinnere ich mich immer daran, dass ich mich als Buchhalter bewerbe und nicht als Showmaster...

Könnte es sein, dass diese beiden Psychotherapeuten schon eine lange Warteliste hatten und Sie deshalb nicht "therapiewürdig" (was immer das auch heißen soll) befanden? Vielleicht könnten Sie sich von Ihrem Hausarzt zu einem dritten Psychotherapeuten schicken lassen - bei einer Depression und einem früheren Suizidversuch sollte eine Therapie eigentlich drin sein.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft, die Arbeitslosigkeit zu überstehen. Wenn ich Schilderungen wie Ihre lese, denke ich immer, der Fachkräftemangel trifft die Firmen immer noch nicht hart genug, dass sie endlich umdenken. Dabei werden beispielsweise im Rhein-Main-Gebiet Finanzbuchhalter schon gesucht.

Nein, beide hätten durchaus Termine gehabt. "Therapiewürdig" war meine eigene Formulierung, sorry, vermutlich traf es nicht ganz den Kern. Beide meinten, dass eine Therapie nicht angezeigt sei, einer sprach davon, dass mein Verhalten ob der geschilderten Vorgänge ja im Grunde völlig normal sei (er meinte nicht die Tabletten), aber nicht jeder, der depressive Phasen wegen solcher massiver Eingriffe in das Leben habe, müsse sich einer Therapie unterziehen. Und die Tabletten, zu denen beide rieten, habe ich dann ja nach Rücksprache mit dem Doc nicht haben wollen.

Ich bin nicht scharf auf eine Therapie, falls ich das missverständlich ausgedrückt haben sollte. Ich denke, dass ich die Probleme klar sehe, aber ich möchte eben zum Beispiel nicht irgendwelche Techniken lernen, entsprechendes Verhalten von Dritten zu "ignorieren" oder für mich emotional auszublenden. Das bin ich nicht. Wie man sich verhalten war, war äußerst extrem. Und es war falsch, nicht nur in meinen Augen. Und ich möchte nicht entsprechend konditioniert werden, solches Verhalten neutral zu bewerten. Nur damit ich damit leben kann. Oder funktionieren.

Mir ist bewusst, dass ich ein riesengroßes Problem habe, da ich anscheinend zu, tja, zu was eigentlich bin? Zu weich für diesen Teil der Welt? Ja, definitiv. Zu emotional? Vielleicht auch. Ich denke, die Personen, mit denen ich in den Jahren vorher allerdings zum Beispiel ein Entlassungsgespräch führen mußte, würden das bei mir vermutlich verneinen. Ist kein Kriterium, aber eben doch ein Beleg, dass es nicht um eine generelle Haltung geht.

Man hat mich einfach in so winzig kleine Teile zerhäckselt, dass ich immer noch beim Zusammenpuzzlen bin...

Vielen Dank für Ihre Wünsche. Gesucht werden hier Buchhalter auch, aber anscheinend keiner, der geht, dann wieder kommt, dann wieder geht und dann noch mal wieder kommt und dann gehen muss... Berufliche Lebensplanung: sechs, setzen. ^^

Ohne nun tiefere Einblicke in die verschiedenen Therapiemethoden zu haben, habe ich die Grundidee einer Therapie bislang nicht so aufgefasst, dass es darum geht, irgendwie darauf konditioniert zu werden, Dinge auszublenden, sondern darum, mit vergangenen Ereignissen besser klar zu kommen und sich wenn nötig, wieder zusammenzupuzzeln sowie zu lernen, künftig besser auf sich selbst aufzupassen. Damit einem das nicht nochmals passiert oder gar immer wieder.

Dass man auf ein krankmachendes Arbeitsumfeld auch psychisch reagiert, und insofern ihr Verhalten völlig normal ist in dem Sinne, dass andere sich auch so verhalten hätten, klingt schon schlüssig. Ich hatte Sie zunächst so verstanden, dass Sie schon gern eine Therapie gemacht hätten, aber eben nicht zugestanden bekamen. Wenn Sie aber "gar nicht scharf auf eine Therapie" sind, keine Medikamente nehmen wollen, zugleich aber die Angst Sie auffrisst, wo sehen Sie dann denn den Ausweg aus der Depression?

Hört sich für mich irgendwie wie eine Frage in einer Prüfungssituation an...

Zum einen ist diese Angst nicht zwangsläufig mit den depressiven Phasen verknüpft. Ich denke, zu dem Zeitpunkt und in der Situation würde auch Personen, die nicht zu Depressionen neigen, langsam der Popo auf Grundeis gehen, um es mal so zu formulieren. Sehe die Angst also weder als direkte Folge, respektive Ursprung.

Der Ausweg aus den depressiven Phasen ist sicherlich die Vermeidung entsprechender Situationen. Hört sich albern einfach an, wurde letztendlich von allen Fachkräften aber so formuliert: such' Dir einen netten, normalen Job. Okay, und dann sind wir eben im Moment wieder am Anfang des Posts, bei dem zerballerten Lebenslauf und den Mengen an Bewerbungen etc. pp. Nun kommt noch die nächste Stufe (Wohnung zu groß, daher Miete nur für sechs Monate übernommen) und daher wird noch bis Juli beworben als Buchhalter und danach wird ein Job gesucht, irgendein Job, der mich ernährt.

Oder aber: wenn ich wirklich Antworten auf solche Fragen wüßte, hätte ich vermutlich nicht solche Probleme. ;-)

Oh nein, wie eine Prüfungsfrage war das nicht von mir gemeint. Ich habe mich nur gefragt, was Sie angesichts dessen überhaupt machen wollen/sollen/können, um nicht völlig zu verzweifeln.

Dass die Existenzangst mit Ihrer Arbeitslosigkeit, ALG II und der damit verbundenen Armut zusammenhängt, liegt auf der Hand. Die Angst macht Ihre Depressionen nur eben bestimmt nicht besser. Und wegen der im Job zugezogenenen Depressionen sind Sie arbeitslos geworden und haben Existenzangst. Catch-22.

Besteht für Sie vielleicht die Möglichkeit, einen Mini- oder sogar Midi-Job zu finden? Dann könnten Sie Wohngeld beantragen und mit ALG II aufstocken (und ersparen sich damit vielleicht den Umzug, zumindest vorerst). Das hängt natürlich auch davon ab, um wie viele Quadratmeter Ihre Wohnung zu groß ist. Ich weiß von Kommunen, in denen das geht, da werden die Aufstocker unter den Hartzies, deren Wohnung ein paar Quadratmeter zu groß ist, aufgefordert, Wohngeld zu beantragen.